Strafrechtskanzlei

Absehen von der Strafverfolgung –
Auswirkungen auf die Unschuldsvermutung

Juristen sind bekannt dafür, dass sie gelegentlich Haarspalterei betreiben. Wir möchten uns davon nicht ausnehmen, keine Sorge. Manchmal ist es aber eben diese Spitzfindigkeit, die am Ende verfassungsrechtliche Grundsätze nochmal deutlich macht. So geschehen in einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 08.03.2017.

Zum Sachverhalt:

Die Staatsanwaltschaft hat die Möglichkeit, von einer Strafverfolgung abzusehen. Das erfreut den Mandanten in der regel, bedeutet es doch, dass er sich nicht vor Gericht verantworten muss. Man bekommt dann als Beschuldigter eine Nachricht der Staatsanwaltschaft, die in der Regel mit den Worten beginnt:

Ihr Mandant hat sich einer Straftat schuldig gemacht.

Die häufigsten Fälle sind hier Einstellungen nach § 153 StPO oder auch § 45 JGG.

Aber Moment mal – gab es da nicht den Grundsatz der besagt, dass man so lange unschuldig ist, bis einem die Schuld nachgewiesen worden ist? Wenn denn dann ein Verfahren eingestellt wurde, warum spricht die Staatsanwaltschaft dann davon, dass man eine Straftat begangen hat?

Der Fall:

Ein Jugendlicher sah sich einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren ausgesetzt. Es ging um eine Sachbeschädigung wegen Graffiti. Der junge Mann hat die Tat bestritten, was sein gutes Recht war. Daraufhin hat die Staatsanwaltschaft von der Strafverfolgung abgesehen, und zwar nach § 45 JGG. In einem Schreiben an der Rechtsanwalt fanden sich dann die Worte: „Ihr Mandant hat sich einer Straftat schuldig gemacht.“

Jetzt wurde das Bundesverfassungsgericht bemüht, denn es handelt sich um einen Verstoß gegen die Unschuldsvermutung.

Entscheidung:

Die Verfassungsbeschwerde hatte Erfolg.

Es ist erst dann zulässig Feststellungen zur Schuld zu treffen, wenn diese mit einem rechtsstaatlichen Verfahrensgarantien ausgestatteten und bis zum prozessordnungsgemäßen Abschluss durchgeführten Strafverfahren nachgewiesen wurde.

Der § 45 JGG verlangt wie der § 153 StPO allein eine hypothetische Schuldbeurteilung. Die Staatsanwaltschaft muss den Sachverhalt dahingehend prüfen, ob die Schuld als gering einzuschätzen wäre, wenn sich dieser Sachverhalt in einer Hauptverhandlung als wahr bestätigen würde. Formuliert man dann aber : „Ihr Mandant hat sich einer Straftat schuldig gemacht“, steht das nicht im Einklang mit der verfassungsrechtlich garantierten Unschuldsvermutung.

Fazit:

Kommt es zu einer der vorgenannten Einstellungsarten, so sollte man als Jurist auch auf die Kleinigkeiten achten. Auch wenn es für die Praxis wenig Bedeutung haben mag, so geht es hier doch um einen wichtigen Umstand, nämlich die Unschuldsvermutung. Sicher sollte man jetzt nicht gleich jedem Staatsanwalt auf die Nase binden, dass er doch seine Textbausteine abändern soll. Im Ergebnis muss man jedoch seinen Mandanten darauf aufmerksam machen, dass die eine oder andere Formulierung so nicht richtig ist. Was der Mandant daraus macht, ist eine andere Geschichte.

 Den Beschluss zum nachlesen finden Sie hier: BVerfG Homepage

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