Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort – Unfallflucht

Es passiert immer wieder, dass Mandanten nach einer Unfallflucht Angst um ihren Führerschein haben. Wenn dann der Rechtsanwalt etwas vom Entzug der Fahrerlaubnis erzählt, steigt die Unruhe beim Betroffenen schlagartig. Aufgrund eines aktuellen Falles bei uns in der Kanzlei möchten wir dieses Thema nochmal aufgreifen. Es geht im Wesentlichen um die Höhe des „bedeutenden Schaden“. Denn ab einer bestimmten Grenze ist in der Regel die Fahrerlaubnis weg…ja, Sie lesen richtig, man ist die Fahrerlaubnis los…aber der Reihe nach:

Worum es geht:

Gefährlich für den Mandanten ist die Regelwirkung des § 69 Absatz 2 Nr. 3 StGB. Dort bestimmt das Gesetz den Entzug der Fahrerlaubnis.

des unerlaubten Entfernens vom Unfallort (§ 142), obwohl der Täter weiß oder wissen kann, daß bei dem Unfall ein Mensch getötet oder nicht unerheblich verletzt worden oder an fremden Sachen bedeutender Schaden entstanden ist, oder…

so ist der Täter in der Regel als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen.

Der bedeutende Schaden im Rahmen des § 142 StGB, pendelte sich in den vergangenen Jahren bei 1300 Euro ein.

Sachverhalt:

Die Staatsanwaltschaft Braunschweig hat  beim Amtsgericht Braunschweig beantragt, dem Beschuldigten die Fahrerlaubnis gemäß § 111a StPO vorläufig zu entziehen.

Nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen wirft die Staatsanwaltschaft dem Beschuldigten vor, als Führer eines Pkw gegen zwei geparkte Fahrzeuge gefahren zu sein und hierbei einen Gesamtschaden in Höhe von 1.387,54 € verursacht zu haben. Danach habe sich der Beschuldigte vom Unfallort entfernt, ohne eine nach den Umständen angemessene Zeit zu warten, ob ein Feststellungsinteressent erscheine.

Der Beschuldigte hat den Vorfall im Wesentlichen eingeräumt. Er hat sich dahingehend eingelassen, dass er beim Abbiegen die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren habe und rechts gegen geparkte Fahrzeuge gestoßen sei. Er habe sich selbst erschrocken und Angst bekommen. Deshalb sei er vor Schreck weitergefahren. Später sei er noch einmal zur Unfallstelle zurückgekehrt. Zu diesem Zeitpunkt seien die beschädigten Fahrzeuge jedoch nicht mehr vor Ort gewesen.

Was sagt das Gericht dazu?

Das Amtsgericht Braunschweig hat den Antrag der Staatsanwaltschaft auf vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis abgelehnt und dies damit begründet, dass nach ständiger Rechtsprechung des Amtsgerichts Braunschweig bei einem Schaden unterhalb des Betrages von 1.500,00 € noch kein bedeutender Schaden im Sinne des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB anzunehmen sei.

Damit hat sich die Staatsanwaltschaft aber nicht zufrieden gegeben: Die Staatsanwaltschaft legte Beschwerde ein und trug vor, dass bereits bei einem Schaden ab 1.300,00 € von einem bedeutenden Sachschaden im Sinne des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB auszugehen sei.

Das Amtsgericht Braunschweig lehnte diese Rechtsauffassung ab und ordnete die Vorlage an das Beschwerdegericht an.

Ergebnis der Beschwerde:

Das Landgericht folgte der Rechtsansicht des Amtsgerichts. Zwar stützen sich sämtliche Kommentierungen zur Begründung des Wertes (1.300,00 EUR) allein auf die dazu ergangene Rechtsprechung. Diese stammt jedoch überwiegend aus dem Jahre 2002. Bei der Interpretation ausfüllungsbedürftiger Tatbestandsmerkmale darf jedoch nicht außer Betracht bleiben, dass bei einem seit dem Jahre 2002 unveränderten Wert nunmehr nach 14 Jahren eine Anpassung vorzunehmen ist.

Einziger belastbarer, da auf Tatsachen gründender Anhaltspunkt für die durchschnittliche Preisentwicklung ist der Verbraucherpreisindex. Nach dem aktuell geltenden Verbraucherpreisindex für Deutschland mit dem Basisjahr 2010 (2010 = 100) erreichte der Verbraucherpreisindex im Jahr 2002 einen Jahresdurchschnittsstand von 88,6. Im Jahre 2015 betrug dieser 106,9. Die Veränderungsrate in Prozent zwischen diesen beiden Jahren berechnet sich folgendermaßen: 106,9 /88,6 x 100 – 100 = 20,65%. Der Wert von 1.300,00 € aus dem Jahr 2002 wäre daher unter Zugrundelegung einer Preissteigerungsrate von 20,65% im Vergleichszeitraum auf exakt 1.568,45 € gestiegen. Es erscheint daher angemessen, den Wert für einen bedeutenden Schaden im Sinne des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB ab dem Jahr 2016 auf mindestens 1.500,00 € festzusetzen.

Fazit für die Praxis:

Als Rechtsanwalt darf man nicht ungeprüft den vorläufigen Entzug der Fahrerlaubnis hinnehmen. Diese Maßnahme muss unbedingt überprüft werden. Selbst wenn im ersten Moment die Maßnahme der Staatsanwaltschaft gerechtfertigt scheint, muss man sich ein genaues Bild über denSachverhalt machen. Gerade die Höhe des Schaden kann für den Betroffenen immense Folgen haben.  Wenden Sie sich in einem solchen Fall unbedingt an einen Fachanwalt für Strafrecht, der für Sie die Maßnahme überprüft und Ihnen im besten Fall zum Verbleib Ihrer Fahrerlaubnis verhilft.

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