Voraussetzungen für eine Bewährung

Günstige Sozialprognose auch bei mehreren Taten möglich

Kommt man als Beschuldigter in den Bereich einer Freiheitsstrafe, so muss man sich zwangsläufig mit der Frage einer Bewährung auseinandersetzen. Befragt man seinen Rechtsanwalt dazu, so spricht dieser in diesem Zusammenhang immer von einer Sozialprognose. Was bedeutet das?

Sozialprognose

Die Erstellung einer Sozialprognose ist das entscheidende Kriterium wenn es um die Frage geht, ob bei einem verurteilten Angeklagten die Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt werden kann oder nicht. Über diese Frage entscheidet das Gericht in der Hauptverhandlung. Dazu genügt, wenn von dem Angeklagten zu erwarten ist, dass er sich allein die Verurteilung zur Warnung dienen lässt und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzuges keine Straftaten mehr begehen wird. Lange Rede, kurzer Sinn: Für die Zukunft muss es gut aussehen bei dem Angeklagten.

Zum Fall

Das Landgericht lehnte eine Bewährungsstrafe ab und begründete diesen Umstand mit dem Fehlen einer günstigen Sozialprognose. Schließlich habe der Angeklagte fünf Taten begangen und sei weiterhin im Bereich der Autoverwertung tätig (hier spielte sich ein Teil des erhobenen Tatvorwurfes der Anklage ab).

Das Rechtsmittel der Revision zum Thema Sozialprognose war erfolgreich 

Das Oberlandesgericht (OLG) sieht die Sache anders: Es ist nicht nachvollziehbar, aus welchem Grund die Verurteilung wegen mehrerer selbständiger Handlungen für sich bereits eine negative Sozialprognose begründen kann. Dabei hat die Kammer beim Landgericht außer Acht gelassen, dass die ausgeurteilten Fälle in einem sehr engen zeitlichen Zusammenhang standen. Im Rahmen der Gesamtwürdigung hätte ferner berücksichtigt werden müssen, dass die Taten inzwischen über drei Jahre zurückliegen und weitergehende strafrechtliche Verfehlungen des Angeklagten den Urteilsgründen nicht zu entnehmen sind. Der bloße Umstand, dass der Angeklagte nach wie vor im Bereich der Autoverwertung tätig ist, lässt einen Rückschluss auf eine ungünstige Sozialprognose ebenfalls nicht zu. Dies auch deshalb, da der Angeklagte Mechaniker ist und er somit lediglich weiterhin seinem erlernten Beruf nachgeht. Die Kammer hat sich schließlich auch nicht damit auseinandergesetzt, ob nicht das bisherige Strafverfahren eine Wirkung auf den Angeklagten entfaltet hat, welches eine überwiegende Wahrscheinlichkeit zukünftig straffreien Verhaltens begründen kann.

Fazit

Bewährung ist ein heikles Thema. Es geht schlichtweg um die Frage, ob man als Angeklagter in den Knast muss. Insofern kann man dem Thema Sozialprognose als Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht gar nicht genug Aufmerksamkeit schenken.

Ist ein Verfahren für sich gesehen schon sehr zäh und schwierig, muss man das Gericht im Hinblick auf die Verurteilungstendenz immer wieder an die Neutralität „erinnern“, was die Bewährungsfrage betrifft. Es kann unbewusst schnell zu der Situation kommen, dass eine Konfliktverteidigung mit der Versagung einer Bewährung abgeschmettert wird. Schließlich sind alle Verfahrensbeteiligte auch nur Menschen und wie im normalen Leben entwickeln sich hier auch schnell Ressentiments in einem Verfahren.

Dafür notwendig ist ein feines Fingerspitzengefühl beim Rechtsanwalt, der sich vehement aber eben auch moderat für die Interessen seines Mandanten einsetzen muss.

Der Beschluss des OLG Hamm zum nachlesen: hier klicken…

Oberlandesgericht Hamm, 5 RVs 17/17

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