Prügelei, Schlägerei

Gefährliche Körperverletzung (gemeinschaftliche) – Mittäter oder Gehilfe?

Bei der Anschuldigung „gefährliche Körperverletzung“ gibt es im Gesetz eine Schilderung, die unter den Juristen immer wieder zu lautstarken Diskussionen führt. Grund dafür ist § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB (Strafgesetzbuch):

Wer die Körperverletzung…mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

Worauf wollen wir hinaus? Ganz einfach, es macht einen wesentlichen Unterschied, ob der Beschuldigte als Mittäter angesehen wird, oder „lediglich“ Gehilfe ist.

Was gilt für den Mittäter?

Begehen mehrere gemeinschaftlich eine strafbare Handlung, so wird jeder gemäß § 25 II StGB als Täter (Mittäter) bestraft.

Was gilt für den Gehilfen?

Hier kennt das Gesetz die Beihilfe (§ 27 StGB):

Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat. Wichtig ist Absatz 2 des § 27 StGB:

Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 StGB zu mildern.

Zum Fall:

Der Beschuldigte fasste gemeinsam mit den gesondert verfolgten G. , R. , V. sowie einer unbekannten männlichen Person den Entschluss, mit dem Zeugen Go. ein „klärendes Gespräch“ wegen eines gescheiterten Drogengeschäfts zu führen. R. klingelte an der Haustür des Zeugen Go. und versuchte zunächst, ihn unter dem Vorwand einer Autopanne nach draußen zu locken. Als dieser sich weigerte, vor die Tür zu treten oder Einlass zu gewähren, schlug R. ihm unvermittelt mit der Faust ins Gesicht und rief gleichzeitig seine Begleiter herbei, die sich zwischenzeitlich mit schwarzen Sturmhauben maskiert hatten und nun in die Wohnung stürmten. Hierbei war ihnen bewusst, dass es zu einer körperlichen Auseinandersetzung mit dem Zeugen kommen sollte; auch der Angeklagte war bereit, daran mitzuwirken. Zwischen R. und dem Zeugen Go. entwickelte sich „ein Gerangel“, das sich vom Flur ins Bad verlagerte, wohin ihnen mindestens einer der Maskierten folgte. Die anderen Eindringlinge begaben sich in Richtung des Wohnzimmers und trafen auf die Zeugin F. . Während ein Maskierter weiter in das Schlafzimmer ging, bedrohte ein anderer die Zeugin mit einer Waffe und schlug ihr damit gegen den Kopf, um ihre Gegenwehr zu unterbinden. Nunmehr kam auch der Zeuge Go. ins Wohnzimmer; ihm folgten nach kurzer Zeit R. und ein Maskierter. Einer der Maskierten veranlasste den Zeugen Go. mit der Drohung, ihm im Falle der Weigerung ins Bein zu schießen, sein Portemonnaie mit 350 € herauszugeben; mit diesem sowie weiteren Gegenständen der Geschädigten verließen die Täter die Wohnung. Der Zeuge Go. erlitt durch den Faustschlag sowie durch die weitere Auseinandersetzung eine blutende Verletzung im Bereich der Nase und eine weitere Verletzung unterhalb des linken Auges.

Das Problem:

In dem Hineinstürmen in die Wohnung und der Teilnahme an der Präsentation von erheblicher physischer Präsenz sowie zahlenmäßiger Überlegenheit hat das Landgericht eine mittäterschaftliche Beteiligung des Beschuldigten an einer gefährlichen Körperverletzung angenommen.

Rechtsmittel der Revision vor dem Bundesgerichtshof (BGH) erfolgreich:

Nach diesen Maßstäben begegnet die Annahme mittäterschaftlichen Handelns des Angeklagten durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Hinsichtlich des initialen Faustschlages ist eine Mittäterschaft des Angeklagten schon deshalb zweifelhaft, weil der gesondert verfolgte R. erst danach den Angeklagten und die weiteren Beteiligten, die sich bis dahin in der Nähe ihres Fahrzeugs aufhielten, hinzurief. Ein zuvor gefasster gemeinsamer Entschluss zur gleichberechtigten, arbeitsteiligen Deliktsbegehung oder ein Beitrag im Vorbereitungsstadium, der so große Bedeutung hat, dass er in (mit-)bestimmender Weise in das Ausführungsstadium hineinwirkte, ist nicht festgestellt. Das bloße Einverständnis mit Gewalthandlungen und die Billigung einer bereits verwirklichten Tat können die Mittäterschaft jedoch nicht begründen. Eine sukzessive Zurechnung setzt vielmehr voraus, dass der Hinzutretende in der Vorstellung handelt, die Herbeiführung des tatbestandsmäßigen Erfolges durch sein eigenes Handeln weiter zu fördern. Hinreichende Feststellungen dazu fehlen ebenso wie zu konkreten weiteren Verletzungshandlungen nach dem Eintreffen des Angeklagten.

Auch unter der der rechtlichen Würdigung der Strafkammer zugrunde liegenden Annahme, dass R. dem Zeugen Go. im Zuge der Rangelei weitere Schläge versetzte, ist eine täterschaftliche Beteiligung des Angeklagten daran nicht rechtsfehlerfrei belegt, da es an einer den genannten Anforderungen genügenden Gesamtbewertung fehlt. Die Erwägung des Landgerichts, dem Angeklagten sei bewusst gewesen, dass nicht nur eine verbale Klärung geplant, sondern Gewalt angewendet werden sollte, weil sonst die Maskierung völlig sinnlos gewesen wäre, genügt zur Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme nicht, da auch beim Teilnehmer ein Interesse daran, nicht wiedererkannt zu werden, naheliegt und sein Wissen um die Haupttat ihn nicht schon zum Mittäter macht. Auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen kommt daher auch eine bloße Beihilfe (§ 27 StGB) des Angeklagten in Betracht.“

Fazit:

Auch wenn die Ausgangslage manchmal sehr schlecht aussieht, lohnt ein genauer Blick in das Gesetz bzw. die Rechtsprechung. Wichtig ist dabei aber immer, dass man von seine Schweigerecht Gebrauch gemacht hat. Den Tatnachweis zu führen, ist dann nämlich Aufgabe des Gerichts und der Staatsanwaltschaft – und das ist dann oftmals gar nicht so einfach, wie man denkt.

Als Rechtsanwälte und Fachanwälte für Strafrecht stehen wir Ihnen als Beschuldigter einer gefährlichen Körperverletzung zur Seite und klären Sie über rechtlichen Möglichkeiten vollends auf.

Der Beschluss des BGH zum nachlesen: hier klicken…

Beschluss des 3. Strafsenats vom 21.2.2017 – 3 StR 455/16 – Gemeinschaftliche Körperverletzung

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