Der rechtliche Hinweis in einem Strafverfahren
Der rechtliche Hinweis führt ein stiefmütterliches Dasein. Jetzt werden sich viele fragen, was ist ein rechtlicher Hinweis überhaupt, und wann spielt er eine Rolle?
Das OLG Oldenburg hat 2009 dazu einmal sehr zutreffend ausgeführt:
„Zwar enthält das Gesetz keine ausdrückliche Bestimmung darüber, in welcher Weise ein Angeklagter auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes hinzuweisen ist. Aus dem Zweck der Vorschrift, dem Angeklagten Gelegenheit zu geben, sich gegenüber dem neuen Vorwurf zu verteidigen und ihn vor Überraschungen zu schützen, ergibt sich jedoch, dass ein Hinweis nur ausreichend ist, wenn er so gehalten ist, dass er dem Angeklagten und seinem Verteidiger ermöglicht, ihre Verteidigung auf den neuen rechtlichen Gesichtspunkt einzurichten. Der Hinweis muss ihnen deshalb erkennbar machen, welches Strafgesetz nach Auffassung des Gerichts in Betracht kommt ist und durch welche Tatsachen das Gericht die gesetzlichen Merkmale möglicherweise als erfüllt ansieht.
Das Stafprozessordnung trifft eine Regelung in § 265 StPO:
§ 265 StPO
Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes oder der Sachlage(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.
(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßregel der Besserung und Sicherung rechtfertigen.
Lange Rede, kurzer Sinn – Ein rechtlicher Hinweis ist zu erteilen, wenn der Angeklagte wegen einer andersartigen Begehungsform des in der zugelassenen Anklageschrift aufgeführten Strafgesetzes verurteilt werden soll.
Wir greifen dieses Thema nochmal auf, weil der Bundegerichtshof aktuell Stellung bezogen hat, Beschl. v. 25.10.2016 – 2 StR 84/16.
Sachverhalt
Das Landgericht ließ eine unveränderte Anklage zu legte dem Angeklagten zur Last, einen anderen Menschen getötet zu haben, um die zuvor zu seinem Nachteil begangene gefährliche Körperverletzung zu verdecken (§ 211 Abs. 2, 3. Gruppe, Var. 2 StGB). Der Angeklagte wurde im Eröffnungsbeschluss zwar darauf hingewiesen, dass auch eine Verurteilung wegen Mordes aus niedrigen Beweggründen in Betracht kommt, wenn „der Angeklagte seine Lebensgefährtin tötete, weil diese sich von ihm trennen und er dies nicht akzeptieren wollte“. Es erfolgte jedoch kein Hinweis gegenüber dem Angeklagten, dass die Annahme niedriger Beweggründe – wie in den Urteilsgründen geschehen – auch darauf gestützt werden kann, dass der Angeklagte sie tötete, um zu verhindern, dass sie gegenüber Freunden und der Familie offenbaren könnte, dass er „ein Angeber und Lügner sei“ und er mit der Tat habe verhindern wollen, dass die von ihm errichtete „Scheinwelt“ zusammenbreche. Dies ist mit § 265 Abs. 1 StPO nicht zu vereinbaren.
Rechtsmittel erfolgreich
Die Rüge einer Verletzung des § 265 Abs. 1 StPO ist begründet.
Das Gericht wäre bei der hier gegebenen Sachlage verpflichtet gewesen, neben dem Hinweis auf das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe auch diejenigen Tatsachen und Umstände konkret zu benennen, die dieses Mordmerkmal ausfüllen könnten. Der bloße Hinweis darauf, dass das Mordmerkmal erfüllt sein könne, wenn und soweit die Motivation zur Tat darin zu se-hen sein sollte, dass der Angeklagte „die Trennung nicht habe akzeptieren wollen“, genügte insoweit nicht. Insbesondere war diesem Hinweis nicht zu entnehmen, dass die Kammer in Erwägung ziehen könnte, anzunehmen, dass der Angeklagte seine Freundin getötet haben könne, um zu verhindern, dass sie Freunden gegenüber seine tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnisse aufdecke und die von ihm aufgebaute Scheinwelt einstürzen könne.