Strafverteidiger

Ist die Bezeichnung „alter Mann“ als Beleidigung zu werten?

Der Tatbestand der Beleidigung ist häufig in aller Munde. Es geht in der Regel immer darum, ob eine bestimmte Bezeichnung als Beleidigung zu verstehen ist oder nicht.

Im Gesetz heisst es dazu:

§ 185 StGB Beleidigung

Die Beleidigung wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Beleidigung mittels einer Tätlichkeit begangen wird, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Fällt Ihnen etwas auf? Richtig, der Gesetzeswortlaut gibt keine Definition der Beleidigung wieder. Wir sind also nicht schlauer nach einem Blick in das Gesetz. Also hilft uns vielleicht die Definition der Rechtsprechung weiter:

Definition

Die Beleidigung setzt einen rechtswidrigen Angriff auf die Ehre einer anderen Person durch vorsätzliche Kundgabe der Missachtung voraus.

Wenden wir das auf den vorliegenden Fall an:

In einer wohl mehr oder weniger hitzigen Auseinandersetzung bezeichnete der Angeklagte den im Juli 1957 geborenen Zeugen als „alten Mann“.

Wir meinen: Eine gegenüber der betroffenen Person erhobene Tatsachenbehauptung oder eine ihr gegenüber verwendete Bezeichnung, die zutreffend oder nach allgemeinem Verständnis wertneutral ist, kann in der Regel nicht als Beleidigung gewertet werden. Dies mag anders sein, sobald der Bezeichnung eine über die bloße Kennzeichnung hinaus gehende abwertende Konnotation zukommt. Das war dem vorliegenden Sachverhalt aber nicht zu entnehmen.

Was sagt das Gericht?

Mit Blick auf das tatsächliche Lebensalter des Zeugen liegt in der Bezeichnung „alter Mann“ für sich betrachtet noch keine Herabwürdigung, mit der dem Zeugen sein personaler oder sozialer Geltungswert abgesprochen und seine Minderwertigkeit zum Ausdruck gebracht wird. Weitere Feststellungen, die einen abwertenden Charakter der Äußerung begründen könnten, hat die Vorinstanz nicht getroffen.

Ergebnis

Die Beleidigun scheint auf den ersten Blick schnell klar zu sein. Ein Blick hinter die Kulissen lohnt sich jedoch immer, denn oftmals hat der Wortlaut nicht die Bedeutung, die man auf den ersten Blick vermuten mag.

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