Freispruch nach 3 Hauptverhandlungstagen
Das Thema ist aktuell: seit nunmehr 2 bis drei Jahren häufen sich die Anzeigen älterer Menschen, die gegenüber der Polizei angeben, dass ihnen Geld zu Unrecht abgenommen wurde. In der Presse taucht der Begriff „Enkeltrick“ immer wieder auf. Zu Recht empört sich die Gesellschaft über miese Betrügereien – was man aber schnell vergisst: es kann sich auch um einen unhaltbaren Vorwurf handeln, weil das Geld schlichtweg verlegt worden ist.
Erfährt man als Betroffener durch eine Vorladung von der Polizei von dem erhobenen Tatvorwurf, so ist der Schrecken groß. Schnell fühlt man sich abgestempelt, obwohl an dem Vorwurf eventuell nichts dran ist. Hier kommt es besonders auf die Ermittlungsarbeit der Polizei an. Und genau daran scheiden sich die Geister. Diese Verfahren sind mittlerweile Massenverfahren, Fehler schleichen sich schnell ein. Und dann wird sprichwörtlich aus der Mücke ein Elefant.
Folgendes Fallbeispiel soll das verdeutlichen:
Unserem Mandanten wurde vorgeworfen, zu Unrecht Geldabhebungen an einem Geldautomaten für seine Nachbarin vorgenommen zu haben. Es ging um ca. 1.500,00 EUR. Die ältere Dame selbst brachte den Sachverhalt zur Anzeige und schilderte den Polizeibeamten den Sachverhalt. Die Ermittlungen gingen los, nach gut einem Jahr dann folgte die Anklage gegen unseren Mandanten.
Tatvorwurf: Untreue nach § 266 Strafgesetzbuch (StGB)
Ein Blick in das Gesetz erleichtert die Rechtsfindung:
(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2)…
So weit, so gut…hilft uns aber doch nicht so richtig weiter. Denn allein das Gesetz führt nicht zu einer Verurteilung. Zunächst muss sich das Gericht die Mühe machen, eine Beweisaufnahme durchzuführen, die den Tatverdacht entweder belegen, oder aber entkräften soll.
Verlauf des Strafverfahrens:
Gemeinsam mit unserem Mandanten haben wir entschieden, zum Tatvorwurf zu Schweigen. Das hat auch prozesstaktische Gründe, so könnte schließlich eine Aussage unseres Mandanten als reine Schutzbehauptung von dem Gericht bewertet werden. Also geht es weiter mit den Zeugen…
Die ältere Dame konnte als Zeugin nicht gehört werden, da sie zwischenzeitlich verstorben ist. Jetzt hat die Strafprozessordnung aber eine Lösung für eben diesen Fall vorgesehen, nämlich die Verlesung einer Zeugenvernehmung, die die Polizei im Ermittlungsverfahren eigentlich durchführen sollte. Ist hier aber nicht passiert, also standen alle Verfahrensbeteiligten wie der Ochse vor dem Berg. Und nun?
Die Staatsanwaltschaft wollte die Polizeibeamten als Zeugen hören, die den damaligen Sachverhalt aufgenommen haben. Die haben aber auch „nur“ einen Vermerk angefertigt, dem beweisrechtlich nur ein sehr geringer Beweiswert zukommt.
Spannend ist nunmehr, dass erst jetzt die Verfahrensbeteiligten so Ihre Zweifel bekommen haben, den weitere Zeugen schilderten die ältere Dame als etwas zerstreut. Auch die Polizisten berichteten von einer „anstrengenden“ Dame.
Ergebnis: Freispruch
Im Ergebnis beantragte selbst die Staatsanwaltschaft einen Freispruch für unseren Mandanten.
Was wir damit sagen möchten: Wenn Sie Beschuldigter in einem Strafverfahren sind, ist es von elementarer Bedeutung, die Ermittlungsakte zu durchleuchten und konsequent im Rahmen einer Hauptverhandlung auf die bestehenden Widersprüche zu verweisen. Alles, wirklich alles kann von Bedeutung sein. Als Rechtsanwälte und Fachanwälte für Strafrecht muss man gegen den Strom arbeiten, auch wenn der Gegenwind der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts manchmal recht heftig ist.