06.04.2017 – Reizgas bzw. CS-Reizgasspraydose als „anderes gefährliches Werkzeug“ bestätigt
Tränengas ist unangenehm, keine Frage. Viele haben es bei sich, man fühlt sich einfach sicherer damit. Es setzt den Angreifer schnell außer Gefecht. Was aber, wenn jemand CS-Gas benutzt, um einen anderen anzugreifen? Wir Juristen lieben ja solche Diskussionen um die rechtliche Qualifizierung solcher Gegenstände, deswegen berichten wir heute über eine interessante Entscheidung…es geht um eine Verurteilung wegen besonders schweren Raubes.
Zum Sachverhalt:
Der Angeklagte hat der Geschädigten die Brille heruntergeschlagen, ihr dann Reizgas aus der mitgeführten CS-Reizgasspraydoseaus aus kurzer Entfernung direkt in die Augen gesprüht und dann ihre Handtasche und ihr Smart-Phone an sich genommen. Die Augen der Geschädigten begannen infolge des Reizgases sofort stark zu brennen und zu tränen, so dass die Geschädigte minutenlang nichts mehr sehen konnte, sich vor Schmerzen krümmte und unter starkem Brechreiz litt.
Warum so einen Trubel, wenn es um ein gefährliches Werkzeug geht?
Das mag an der allgemeines Definition liegen. Diese lässt nämlich einen Spielraum offen, in dem man so gut wie alles vertreten kann. So könnte man auch auf die Idee kommen, einem Reizgas die Eigenschaft eines „anderen gefährlichen Werkzeugs“ abzusprechen.
Allgemeine Definition:
Der Begriff des gefährlichen Werkzeugs ist (wie der der Waffe) gesetzlich nicht definiert und wird uneinheitlich ausgelegt. Vor allem die Auslegung des Tatbestandsmerkmals in den §§ 177, 244, 250 StGB bereitet erhebliche Probleme. Denn der Gesetzgeber des 6. StrRG, durch das der Begriff des „anderen gefährlichen Werkzeugs“ in die §§ 177, 244, 250 StGB eingefügt wurde, ging zu Unrecht davon aus, bei der Begriffsbestimmung könne auf die Auslegung des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB zurückgegriffen werden (BT-Drs 13/9064, S 18). Dies ist aber nicht möglich. Diese Verwerfungen sind systematisch nicht auflösbar, sondern nur durch eine Novellierung zu beseitigen (vgl nur Fischer StGB § 244 Rn 7 sowie jüngst BGH NStZ 2008, 512, 514).
Die Rechtsprechung des BGH ist nicht einheitlich. Der BGH knüpftzum Teil an die Definition des gefährlichen Werkzeugs in § 224 Abs 1 Nr 2 StGB an (BGH NStZ 2004, 261), lehnt aber an anderer Stelle jedenfalls für das mitgeführte Werkzeug (§§ 244 Abs 1 Nr 1a; 250 Abs 1 Nr 1a; 177 III Nr 1 StGB) genau dies ab (BGH NStZ 1999, 301, 302; NJW 2002, 2889, 2890). In einer weiteren Entscheidung kam der Vorschlag auf, für die Definition des gefährlichen Werkzeugs neben der objektiven Beschaffenheit des Gegenstandes eine generelle, von der konkreten Tat losgelöste Bestimmung zur gefährlichen Verwendung seitens des Täters zu verlangen (BGH NStZ 1999, 301, 302). Der 3. Strafsenat, der diesen Ansatz entwickelte, hat ihn nun allerdings ausdrücklich in BGH NStZ 2008, 512 aufgegeben und sich für eine rein objektive Bestimmung des Begriffs ausgesprochen. Damit schließt er sich der Auffassung des 1. und 2. Strafsenats an.
Fazit zum Reizgas:
Damit wir Strafverteidiger nicht auf dumme Gedanken kommen, hat der 1. Strafsenat es nochmal klargestellt: CS-Gas ist kein Spielzeug, sondern ein „anderes gefährliches Werkzeug“ und kann den Strafrahmen ordentlich nach oben heben.
Die Entscheidung des BGH zum nachlesen:
hier