Vorladung von der Polizei wegen Nötigung oder Beleidigung

Ausbremsen: Tatvorwurf Nötigung durch die Polizei?

Gerade in einer Großstadt wie Berlin kommt einem der Straßenverkehr oftmals wie ein großes Kampfgebiet vor. Autofahrer gegen Autofahrer, Autofahrer gegen Radfahrer, Fußgänger gegen Autofahrer – simpel formuliert: Jeder gegen jeden.

So kommt es auch, dass sich hier viele Sachverhalte feststellen lassen, die einen strafrechtlichen Bezug haben. Heute widmen wir uns dem sogenannten „Ausbremsen“ im Straßenverkehr. Wer kennt das nicht? Der eine Autofahrer fühlt sich durch einen anderen Autofahrer im fließenden Verkehr behindert, warum also nicht mal kurz seinem gegenüber zeigen, dass man das auch kann – soll der andere doch mal sehen, wie das ist, wenn man einfach geschnitten wird. Was man in diesem Moment nicht bedenkt ist die Gefahr, dass man mit seinem Verhalten womöglich eine Straftat begangen hat, nämlich eine Nötigung.

Zum Sachverhalt:

Ein Autofahrer fühlt sich durch einen anderen Verkehrsteilnehmer (ebenfalls Pkw) beträchlich behindert. Seiner meinung nach färt der vorausfahrende Pkw viel zu langsam. Ein Überholmanöver muss schnell her. Also rechts rüber und dann knapp vor dem ehemaligen vorausfahrenden Pkw wieder in die linke Spur ziehen. Der andere sichtlich überrascht, muss stark abbremsen. Das Nummernschild wird notiert, Strafanzeige gestellt. Die Polizei schreibt den Beschuldigten an, in der Vorladung lautet der tatvorwurf Nötigung (§ 240 StGB).

Das Amtsgericht Tiergarten stimmt dem zu und verurteilt den Angeklagten wegen Nötigung.

Rechtsmittel führt zum Erfolg:

Das Kammergericht Berlin hat das Urteil aufgehoben. Im Ergebnis mangelt es an tatsächlichen Feststellungen im Urteil des Amtsgerichts, die eine Nötigung nahelegen. Ausbremsen ist ein weiter Begriff, da muss die Beweisaufnahme schon deutlich machen, dass es sich gegebenenfalls tatsächlich um eine Vollbremsung gehandelt hat.

„Hier spricht jedoch nichts dafür, dass der Angeklagte eine Vollbremsung (oder ein starkes Abbremsen – Anmerkung des Senats) des hinter ihm fahrenden Kraftfahrers bezweckte. Für eine Straftat der Nötigung hätte es dem Angeklagten gerade darum gehen müssen, die beabsichtigte Fortbewegung des ihm nachfolgenden Kraftfahrers durch tatsächlich nicht überwindbare Hindernisse zu unterbinden … Allein, dass der Angeklagte sich nach den Urteilsfeststellungen in völlig rücksichtsloser Weise zur Verfolgung seiner eigenen Interessen gleichgültig über die Belange des Zeugen S. hinwegsetzte, macht sein Verhalten noch nicht zur Straftat … Der Straftatbestand der Nötigung im Sinne des § 240 StGB erfüllt namentlich die Fälle, in denen ein Kraftfahrer dicht und bedrängt auf seinen Vordermann auffährt, seinen Hintermann – aus welchen Gründen auch immer – absichtlich „ausbremst“ oder vorsätzlich einen unerwünschten Verfolger „abdrängt“. Gemeinsamer Nenner dieser und ähnlicher Fälle ist, dass die Einwirkung auf den anderen Verkehrsteilnehmer nicht die bloße Folge, sondern der Zweck des verbotswidrigen Verhaltens ist. Der Erfolg – dass der andere den Weg frei macht, bremsen muss oder nicht überholen kann – ist für den Täter „das Ziel seines Handelns“. Auf den „bloß“ rücksichtslosen Überholer trifft das in aller Regel nicht zu. Sein Ziel ist, schnell voran zu kommen. Dass dies auf Kosten anderer geschieht, ist nur die in Kauf genommene Folge seiner Fahrweise. Ein Schuldspruch wegen Nötigung scheidet in einem solchen Falle aus.“

Fazit:

Der Tatvorwurf Nötigung liegt bei einem Manöver wie dem Ausbremsen vielleicht nahe, strafrechtlich muss man aber genau hinschauen. Aber immer schön den § 5 Absatz 4 StVO im Blick behalten, ansonsten droht wieder Ärger…

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