Prügelei, Schlägerei

Gemeinschaftliche Körperverletzung

Eine Großzahl unserer Fälle hat den Tatvorwurf Körperverletzung zum Vorwurf. Im ersten Moment denkt man als Betroffener, dass der Tatbestand ja klar zu verstehen ist, aber oftmals glüht den Mandanten nach dem Besuch beim Rechtsanwalt der Kopf. Das liegt aber nicht daran, dass der Anwalt schlichtweg zu viel geredet hat.  Vielmehr ist es oftmals schwer für den Betroffenen nachzuvollziehen, dass ein Rechtsanwalt seinem Mandanten einen Ausweg aus einem schweren Tatvorwurf aufzeigen kann, der so leicht für den juristischen Laien nicht zu erkennen war. 

Ein Fall aus der Praxis, der jetzt aufgrund einer aktuellen Entscheidung des 2. Strafsenates des BGH in den Fokus gerückt ist:

Gefährliche Körperverletzung in Form der gemeinschaftlichen Körperverletzung

Wie immer starten wir mit einem Blick in das Gesetz

§ 224 Strafgesetzbuch (StGB)

(1) Wer die Körperverletzung

  1. durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
  2. mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
  3. mittels eines hinterlistigen Überfalls,
  4. mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
  5. mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung

begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

Zum Fall:

Mehrere Freunde trafen sich in einer Gaststätte, um den Start in das Wochenende zu feiern. Da man irgendwann zu tief in das Glas geschaut hat, wurde man aus der Kneipe geworfen. Die Stimmung kippte, alle Beteiligten wurden leicht aggressiv. Jetzt zog man durch die Straßen, auf der Suche nach einer neuen Bleibe. Als man gerade gemütlich über eine Brücke schlenderte, entdeckte man das Opfer O., an dem man schlussendlich seine Aggressionen auslassen wollte. Aus einem Gerangel wurde eine Schlägerei, wobei man nicht mit Sicherheit feststellen konnte, welche Handlungen genau jeder Angreifer vorgenommen hat. 

Für die Jugendkammer reichten die Feststellungen in der Beweisaufnahme aus, alle Angeklagten wegen einer gefährlichen Körperverletzung zu verurteilen, und zwar in der vorgenannten Variante

…mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich…

Die nächste Instanz:

Von der Verteidigung wurde gerügt, dass die Feststellungen eben nicht ausreichen, wirklich jeden Angeklagten wegen einer gemeinschaftlichen Körperverletzung zu verurteilen. Es wurde das Rechstmittel der Revision eingelegt.

…mit Erfolg:

Der Bundesgerichtshof hatte auch Bedenken. Zu Recht wies er auf einen kleinen, aber feinen Unterschied hin:

Grundlage der Entscheidung der Jugendkammer muss es sein, dass die Angeklagten ausdrücklich oder stillschweigend eine Übereinkunft getroffen haben, die Geschädigten zu verletzen. Die Feststellungen im dem Urteil müssen den Schluss erlauben, dass das festgestellte Geschehen mit hoher Wahrscheinlichkeit mit der Wirklichkeit übereinstimmt. Von daher müssen die Urteilsgründe des Tatgerichts erkennen lassen, dass die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen, verstandesmäßig einsehbaren Tatsachengrundlage beruht und die vom Tatrichter gezogenen Schlussfolgerung nicht nur eine bloße Vermutung darstellt.

Diese Grundlage vermochte der Senat am Bundesgerichtshof nicht zu erkennen, also beruhte die Verurteilung wohl mehr oder weniger auf einer Vermutung. Klingt doch logisch, oder?

Fazit:

Im ersten Augenblick mag man als Betroffener erstmal die rechtliche Einschätzung einfach hinnehmen – aber es lohnt sich in der Regel immer, die Sach- und Rechtslage kritisch zu hinterfragen. Schließlich macht es einen Unterschied, ob man mit einer Freiheitsstrafe aus einem Strafverfahren herauskommt, oder eben doch „nur“ mit einer Geldstrafe.

Aktenzeichen: 2 StR 188/16

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