Lappen weg

Kein Fahrverbot trotz Alkohol am Steuer

Dieses Thema wird einige Betroffene brennend interessieren. In der Regel geht man ja davon aus, dass – wenn man mit Alkohol am Steuer erwischt wurde – der Führerschein weg ist. Dabei sollte man erstmal einen Fachanwalt für Strafrecht um Rat fragen, ob die Situation tatsächlich ausweglos ist. Ein Fahrverbot bzw. der Entzug der Fahrerlaubnis kann einen teuer zu stehen kommen.

Ein Beispiel aus der Rechtsprechung bei wohl 1,1 Promille:

Als der Angeklagte am Mitte Juli 2015 spät nach Hause kam, saß seine Familie bereits seit einiger Zeit zusammen, grillte und konsumierte alkoholische Getränke. Der Angeklagte schloss sich ihnen an. Als es keine alkoholischen Getränke mehr gab, sollte er – als zuletzt Hinzukommener – zur nahe gelegenen Tankstelle fahren und „Nachschub“ besorgen. Er wurde bereits nach 70-80 m von der Polizei kontrolliert.

Durch sein Verhalten hat sich der Angeklagte der fahrlässigen Trunkenheit im Verkehr strafbar gemach (§ 316 StGB), keine Frage. Was passiert aber im Hinblick auf ein Fahrverbot bzw. den Entzug der Fahrerlaubnis?

Jetzt kommen wir zu dem Punkt, der in der Regel immer eintritt (so meinen jedenfalls die meisten): Die Fahrerlaubnis wird entzogen, der Führerschein ist weg.

Warum? Weil § 69 StGB eine Regelung dazu getroffen hat, die erstmal eindeutig ist (Entzug der Fahrerlaubnis):

Wird jemand wegen einer rechtswidrigen Tat, die er bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil seine Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so entzieht ihm das Gericht die Fahrerlaubnis, wenn sich aus der Tat ergibt, daß er zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist. Einer weiteren Prüfung nach § 62 bedarf es nicht.

Auch § 44 StGB formuliert eindeutig (Fahrverbot):

Wird jemand wegen einer Straftat, die er bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat, zu einer Freiheitsstrafe oder einer Geldstrafe verurteilt, so kann ihm das Gericht für die Dauer von einem Monat bis zu drei Monaten verbieten, im Straßenverkehr Kraftfahrzeuge jeder oder einer bestimmten Art zu führen. EinFahrverbot ist in der Regel anzuordnen, wenn in den Fällen einer Verurteilung nach § 315c Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a, Abs. 3 oder § 316 die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 unterbleibt.

Das Landgericht Düsseldorf hat jetzt aber nochmal klargestellt:

Als Gericht muss man den abgelaufenen Zeitraum beachten (hier die Berufungshauptverhandlung erst im März 2017).

Die Regelwirkung des § 69 Abs. 2 Nr. 2 StGB war vorliegend entkräftet, da sich der Angeklagte jedenfalls zum Zeitpunkt der Berufungshauptverhandlung nicht als ungeeignet zum Führen eines Fahrzeuges erwiesen hat. Die Fahrerlaubnis ist im vorliegenden Verfahren nicht vorläufig entzogen worden, und der Angeklagte hat seit 20 Monaten weiter am Straßenverkehr teilgenommen. Die beiden Ordnungswidrigkeiten wurden vor der erstinstanzlichen Verurteilung begangen, durch die dem Angeklagten die Folgen seiner Tat in Bezug auf seine Fahrerlaubnis erst vor Augen geführt worden sind und die ihn deutlich beeindruckt hat. Seitdem ist sein Verhalten im Straßenverkehr beanstandungsfrei. Der Grenzwert der Blutalkoholkonzentration für die Annahme des § 316 StGB war zwar erreicht, aber nicht überschritten worden, und der Angeklagte ist auch nicht wegen Delikten im Zusammenhang mit Alkohol im Straßenverkehr bereits einschlägig vorbestraft.

Von der Verhängung eines Fahrverbots gem. § 44 StGB hat die Kammer ebenfalls abgesehen, da ein solches in Anbetracht des erheblichen Zeitablaufs seine Denkzettelfunktion nicht mehr erfüllen kann.

Fazit:

Was lernt man daraus? Ist ein längerer Zeitraum seit der Tat schon verstrichen, so muss der Rechtsanwalt im Hinblick auf den Führerschein darauf achten, dass das Gericht einen eventuell vorliegenden langen Zeitraum berücksichtigt. Hier wurden explizit 20 Monate genannt.

LG Düsseldorf, Urt. v. 28.03.2017 – 21 Ns 179/16

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